Spinnenwege: Kiebitznest

Wir biegen aus rauer Nacht auf unser Grundstück ein. Noch vorm Sonntagsglockenschlag. Halten zwischen verfrorenen Rabatten. Krokus und Hyazinth trauern in den Morgen hinein. Ich steige aus, darf die Garage öffnen, freue mich frostklamm auf das lustige Klingeln des Tores in seiner Bahn.

Und schlucke die Versuchung hinunter, mit dem Fingernagel über rotgrau Metall zu fahren, dem Zeigefingernagel. Ein Ton, der mich immer gefrieren lässt, zutiefst, immer neuerlich verlocket, bis in meine Nächte hinein. Dort tanzt er. Einen Ringelreihen. Mit der Apfelsaftflasche aus den letzten Sommerferien, die so süßgrün nach meinem Auge ruft, dem rechten. Und der Kante vom Gartenzaun von Draht-Thieß, die so gerne, so gern einmal über den Rand meiner Plombe im Schneidezahn streicheln möchte, jedes Mal, jedes Mal, wenn sie mich anschaut.

Ich darf auch den Kofferraum öffnen, in dem Rucksack, Fernglas, die Gewehre ruhen. Und mein erstes Waidmannsheil: schwarzweißes Gefieder, aus dem Flug gepflückt. Von mir: Ich verfolge den streichenden Pulk, finde Vogel, halte vor, finde Tod, halte vor, weiß um den Moment, in dem Finger am Abzug unaufhaltsam, unaufhaltsam…. Tod.

Und ich höre Wiedergang, Schwingenschlag. Im Wechseltakt von Aufgegeben und Fluchtwollen. Kiewitt, kiewitt. Und drücke das Schloss herunter. Kiewitt. Erwarte Blut im Federsturm, zögere, hülle mich in Furcht. Und unser Hund schlägt an. Vater ist schneller. Zur Stelle. Und ein letztes Kiewitt.

Ich berge meine Träne im Stachelbeerstrauch. Späterweit hinten, im Garten. Baue ein Nest, ein kleines, für Feder, schwarz mit Schimmer grün, Tropfen Rot. Herbsttotgras, erdenreich geerntet, für mein erstes Erleben des Endens. Und bette meinen Mord in Moos. Ein Osternest. Wie für den Hasen, wenige Tage zuvor.