Spinnenwege: Weidenmantel

‚Kennst du das,‘ frage ich mich in der großen Pause ‚dass man etwas immer, immer wieder tut, auch wenn man weiß, dass es böse endet?‘. Ich antworte mit dem Kreiselspiel meiner Zungenspitze am letzten Backenzahn, dem mit der alten Plombe. Seit der ersten Stunde geht das so. Mathe, Latein. Und immer wieder: Erdkunde, Sport, die zweite Pause. Englisch, Doppelstunde; immer, immer wieder. Im Sprachlabor puckert es. Ich kann den Zahnschmerz spielen sehen. Wie ein kleiner Geist, der seilspringt. Zu...

mehr

Spinnenwege: Larvensänger

Der rostige Rand der Regentonne, zum Küssen nah; ich ihm im Walnussschatten. Sehnsuchtsvoll offen die Lippen. Grünes Nass schmecken können. Springende Tropfen aus schillernd buntem Ölfilm. Fliegende Fische, die um mich buhlen! Es trinken wollen, das Mückenlarvenwasser. Immer unruhiger das dunkle Rund anhauchen. Kräuselwellenspiel bis zum engen Horizont. Es schlürfen wollen, müssen. Die Zähne in die Kante des Bruchroteisens schlagen. Festbeißen. Und nachfassen. Ein Saugen, Schlürfenwollen. Aus vollen Lungen: Kraft. Alles Aussaufen....

mehr

Spinnenwege: Gersterbrotruf

Gersterbrot mochte ich früher gerne. Jetzt nicht mehr. Es ruft so. Leise zwar. Doch dann wieder eher laut. Und vor allem lange. Tief. Durch das Ohr hinein. Alle Windungen entlang. Bis zu dem Fotoalbum. In meinem Kopf. Dem mit den traurigen Bildern. Verweilt. Blättert in den Seiten. Zeigt auf die großen Augen. Im kleinem Schädelchen. Vom Kitz mit den hübschen weißen Punkten. Wie ein Fliegenfilz in Braun sieht es aus. Das Rot hat sich seine Mutti angezogen. Die schaut mit geschlossenen Augen. Aus dem Drachenmaul von Hugos Mähdrescher;...

mehr

Spinnenwege: Kravogelschilf

Mein Hund ist fort. Und ich bin Angst. Ohne ihn? Nach Haus? Vaters Stimme ist nicht streng, aber stark. Und ein Jagdhund ist ein Jagdhund und gehört an die Leine. Doch er hat mich nur angeschaut. Dann ist der Karabinerhaken von selbst aufgegangen. Und ein Jagdhund ist ein Jagdhund. Und nun im Bruch. Und ich bin Angst. Angst vor stark; Angst vor den Schnittblättern, Blutegeln, den Erlenrufen. Und ich sehe den Kravogel, unter dessen Flügeln das Schilf gesenst, die Erlen verstummt, die Egel in kleinen Gläsern, verschwunden, Vergessen. Und...

mehr

Spinnenwege: Eisheilige

Mein Weh wurde 5.947 Tage alt. Ich habe nachgerechnet. Jetzt hat er zwei Kreuze. Eines dort, wo seine Oma liegt; sein Vater und der Stein für den Onkel, der in Russland blieb. Eines an der Brücke am Kanal, wo auch im Mai noch Kaltglatt wächst. ‚Unser Wolle‘ steht darauf; ‚Mein geliebter Wolfgang‘ auf dem anderen. Für mich war er nur Weh, die Wege durch das Brennesselfeld, Regenwurmwürgen, die Nacht im Eiskeller. Nun hat er zwei Kreuze. Und der Straßengrabenfuchs hat keins. Auch der Igel, das Krötenpaar, der...

mehr