Spinnenwege: Gersterbrotruf
Gersterbrot mochte ich früher gerne. Jetzt nicht mehr. Es ruft so. Leise zwar. Doch dann wieder eher laut. Und vor allem lange. Tief. Durch das Ohr hinein. Alle Windungen entlang. Bis zu dem Fotoalbum. In meinem Kopf. Dem mit den traurigen Bildern. Verweilt. Blättert in den Seiten. Zeigt auf die großen Augen. Im kleinem Schädelchen. Vom Kitz mit den hübschen weißen Punkten. Wie ein Fliegenfilz in Braun sieht es aus. Das Rot hat sich seine Mutti angezogen. Die schaut mit geschlossenen Augen. Aus dem Drachenmaul von Hugos Mähdrescher;...
mehrSpinnenwege: Kravogelschilf
Mein Hund ist fort. Und ich bin Angst. Ohne ihn? Nach Haus? Vaters Stimme ist nicht streng, aber stark. Und ein Jagdhund ist ein Jagdhund und gehört an die Leine. Doch er hat mich nur angeschaut. Dann ist der Karabinerhaken von selbst aufgegangen. Und ein Jagdhund ist ein Jagdhund. Und nun im Bruch. Und ich bin Angst. Angst vor stark; Angst vor den Schnittblättern, Blutegeln, den Erlenrufen. Und ich sehe den Kravogel, unter dessen Flügeln das Schilf gesenst, die Erlen verstummt, die Egel in kleinen Gläsern, verschwunden, Vergessen. Und...
mehrSpinnenwege: Eisheilige
Mein Weh wurde 5.947 Tage alt. Ich habe nachgerechnet. Jetzt hat er zwei Kreuze. Eines dort, wo seine Oma liegt; sein Vater und der Stein für den Onkel, der in Russland blieb. Eines an der Brücke am Kanal, wo auch im Mai noch Kaltglatt wächst. ‚Unser Wolle‘ steht darauf; ‚Mein geliebter Wolfgang‘ auf dem anderen. Für mich war er nur Weh, die Wege durch das Brennesselfeld, Regenwurmwürgen, die Nacht im Eiskeller. Nun hat er zwei Kreuze. Und der Straßengrabenfuchs hat keins. Auch der Igel, das Krötenpaar, der...
mehrSpinnenwege: Kiebitznest
Wir biegen aus rauer Nacht auf unser Grundstück ein. Noch vorm Sonntagsglockenschlag. Halten zwischen verfrorenen Rabatten. Krokus und Hyazinth trauern in den Morgen hinein. Ich steige aus, darf die Garage öffnen, freue mich frostklamm auf das lustige Klingeln des Tores in seiner Bahn. Und schlucke die Versuchung hinunter, mit dem Fingernagel über rotgrau Metall zu fahren, dem Zeigefingernagel. Ein Ton, der mich immer gefrieren lässt, zutiefst, immer neuerlich verlocket, bis in meine Nächte hinein. Dort tanzt er. Einen Ringelreihen. Mit...
mehrSpinnenwege: Osterblumen
Artur träumt mit offenen Augen. Die matt ausschauen. Wie das Fenster in unserem Gästeklo. Oder meine Zunge. Wenn ich Fieber hab. Heute ist mir auch so. Heiß. Artur aber friert. Seine Haut ist ganz rot und blau. Weiße Lianen ranken sich kreuz und quer. Natürlich weiß ich, dass das nicht der echte Artur ist. Dessen Fell umgestülpt am Regal mit dem Kompott hängt. Kirschen, Birnen und auch Apfelmus. Nein, den echten Artur hat das Peterle geholt. Der fette Kater von Glindemanns. Nur zwei Tage nachdem ich ihn gefunden hatte. Im Sandkasten....
mehrSpinnenwege: Laubenblau
Vater findet es gut, dass ich Natursendungen mag. Sielmann, Gryzmek und den Trenker auch. Ferne Länder, schöne Tiere, fremdes Wild. Doch gestern, gestern Abend ist eines entwischt, aus dem Fernseher geflohen. Und in Nullkommanichts von Neuguinea bis zu uns geflogen. Ich allein habe den Sielmann fluchen sehen, als es geschehen. Mutti war nur mal kurz in der Küche, Vater schnarchte Sesseltraum, Kleineomi schon zu Bett. Ganz schnell habe ich da die Tür zu meinem Zimmer geöffnet. Und der Laubenvogel hat aufgepasst, sitzt jetzt hier, ganz nah...
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